Die Darstellung über
Österreich und Österreich-Ungarn in einem renommierten
Lexikon des Dritten Reichs scheint eine wichtige
Komponente der Beeinflussung der Volksmassen. Die hierfür
wichtigen Passagen für die Unschuldserklärung gegenüber
der Geschichte sind fett markiert. Sie verstecken sich
zwischen vielen zutreffenden und neutral gehaltenen
Angaben.
Österreich
Österreich,
Freistaat
in Mitteleuropa, 83'838 km
2, 6,7 Mio. E;
Hauptstadt: Wien. 9 Bundesländer: Burgenland, Kärnten,
Nieder-, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol,
Vorarlberg, Wien (vgl. Karte Deutsches Reich). das etwa
550 km lange, im Westen nur 40-60 km breite Staatsgebiet
umfasst den Hauptteil: Hohe Tauern und Ötztaler Alpen,
etwa 3800 m), ferner ausser dem Wiener Becken Teile des
nördl. Alpenvorlandes, des Böhmischen Massivs (nördl. der
Donau), Übergänge zur Oberungar. Tiefebene (Südostrand der
Alpen) sowie ein kleines Stück von dieser selbst (und den
Neusiedler See). Vielfach offene Grenzen, sogar in den
Alpen; auch der grossenteils durch Kammlinien
(Wasserscheiden) abgeschlossene Süden (im Westen Rätische,
Ötztaler und Zillertaler Alpen, im Osten Karnische Alpen
und Karawanken) bietet bequeme Zugänge (u.a. Brenner,
Pustertal). -
Flüsse und Seen:
überwiegend Stromgebiet der Donau, deren Zuflüsse häufig
den Längstalzonen zwischen Zentral- und Kalkalpen folgen
(im Norden: Inn mit Salzach, Enns, im Süden: Drau). reich
an Seen sind Salzburger Alpen und Salzkammergut sowie das
Klagenfurter Becken; Anteil am Bodensee und bes. am
Neusiedler See.
Klima
sehr verschieden. Unter dem Einfluss der vorherrschenden
Nordwestwinde am Nordwestrand weit höhere Niederschläge
(150-200 cm und mehr) als in den inneren Tälern und im
Osten 50-80 cm). Warme Sommer in Vorarlberg, Inntal (Föhn)
und den Südalpen, kalte Winter in den abgeschlossenen
Becken (z.B. Klagenfurter Becken). Schneegrenze in den
Nördlichen Kalkalpen rund 2500 m, in den Zentralalpen rund
3000 m. Grösster Gletscher: Pasterze; östlichste
Vergletscherung am Dachstein. Vgl. Tafeln - Tier- und
Pflanzenwelt -> Europa, Alpen.
Bevölkerung:
überwiegend bayrischen Stammes, in Vorarlberg und
Nordwesttirol alemannisch, im Osten fränkischer Einschlag;
ganz geringe nationale Minderheiten (Tschechen, Slowenen,
Kroaten). Infolge des grossen Anteils an den Alpen, in
denen fast nur die Täler besiedelt sind, geringe
druchschnittliche Dichte (80 je km
2); grösste
im Wiener Becken, im nördl. und südöstl. Alpenvorland und
im Rheintal, niedrigste in Tirol und Salzburg. Höchstes
Dorf: Obergurgl im Ötztal (1927m). Grossstädte: Wien (hier
über 1/ der Gesamtbevölkerung), Graz, Linz. Sehr geringer
Geburtenüberschuss (1933: 1,1 je km
2).
Religion:
94% kath., 3% ev., 3% jüdisch. Der Mannigfaltigkeit der
Landesnatur und der Abgeschlossenheit mancher Täler und
Becken entspricht grosse Verschiedenheit in Mundart,
Brauch, Sitte und Siedlungsweise. Das deutsche Volksgebiet
greift bes. in Tirol, aber auch sonst gewöhnl. stark über
die Staatsgrenze hinaus.
Bildung:
hochentwickeltes Schulwesen. Gliederung: Volksschulen,
Hauptschulen (nach dem 4.Volksschuljahr), gewerbl.
Fortbildungsschulen, Berufs- und Fachschulen,
Mittelschulen (svw. höhere Schulen) u.a.; 36
Lehrerbildungsanstalten. Universitäten in Wien, Innsbruck
und Graz, Techn. Hochschulen in Wien und Graz, ferner in
Wien: Hochschule für Welthandel, für Bodenkultur, Akad.
der bildenden Künste, für Musik und darstellende Kunst,
Tierärztl. Hochschule. In Leoben Montanistische
Hochschule.
Wirtschaft:
Hauptwirtschaftszweig ist die in der Nachkriegszeit
wesentlich verbesserte Landwirtschaft (Steigerung der
Erzeugung bes. von Korn, Vieh, Milch und Milchprodukten),
2,3 Mio. ha Ackerland, 1 Mio. ha Wiesen, 1,35 Mio. ha
Alpenwirtschaft, 0,1 Mio. ha Ost- und Weingärten. vorzügl.
Forstwesen (3,14 Mio. ha Waldungen) und wirtschaftlich
bedeutende Alpenjagd. Der Bergbau (Eisen, Magnesit) leidet
unter Kohlenmangel (Zufuhr, bes. Koks, nötig) trotz
beträchtl. Wasserkräfte.
Von den Erwerbstätigen gehören rd. 31,6% z.
Landwirtschaft, 29% zu Industrie und Gewerbe, 12% zu
Handel und Verkehr, 8,2% zu öffentlichen und freien
Berufen. - Um den Haupthandelsplatz, zugleich Zentrum der
Mode- und Luxusartikelherstellung, Wien, konzentrieren
sich die wichtigsten Industrien: metallwaren-, Leder-,
Textilindustrie im Wiener Becken, in den Nordostalpen und
in Ober-Steiermark Automobilindust., Bierbrauerei,
Ziegelei, Papier usw., Eisenindust., Holzverarbeitg.
(ebenso in Kärnten) und Textilien (auch in Vorarlberg).
Unter der Wirtschaftskrise hat Ö. schwer gelitten. Ein-
und ausfuhr sind bes. unter der Wirkung der unorganischen
Balkanaufteilung durch die Friedensdiktate sehr
zurückgegangen; die finanzielle Abhängigkeit von den
Siegerstaaten wurde durch hohe Anleihen verstärkt, der
Fremdenverkehr ist empfindlich zurückgegangen.
Haupthandelsländer: Deutsches Reich, Tschechoslowakei,
Ungarn, Polen, Italien. -
Zahlungsmittel: Schilling (S) = 100 Groschen (g) = 0,59 RM
Goldparität; etwa 14% entwertet.
Staat:
Das mehrfach geänderte Bundesverfassungsgesetz wurde
1.1.1934 durch die neue österr. Bundesverfassung des
Bundesstaates Ö. ersetzt (239.VO der Regierung im
Bundesgesetzbl.). Staatsoberhaupt der Bundespräsident
(mindestens 35 Jahre alt, in mittelbarer geheimer Wahl von
allen über 2 Jahre alten Bundesbürgern auf 6 Jahre
gewählt); ernennt die Regierung und beruft sie ab. daneben
4 beratende Körperschaften:
1.Staatsrat (40-50 vom Bundespräsidenten auf 10 Jahre
ernannte Mitglieder). -
2. Bundeskulturrat (30-40 Mitglieder, aus den Kreisen der
Kirche, der Religionsgemeinschaften, des Schul-,
Erziehungs- und Volksbildungswesens, der Kunst und
Wissenschaft entsandt).
3. Bundeswirtschaftsrat (70-80 Mitgl. aus den wirtschaftl.
Berufsständen).
4. Länderrat (je 2 Mitglieder aus jedem Land und der
bundesunmittelbaren Stadt Wien).
Aus diesen 4 Körperschaften gebildet der beschliessende
Bundestag: 20 Mitglieder des Staatsrates, 10 des
Bundeskulturrates, 20 des Bundeswirtschaftsrates, 9 des
Länderrates. Gesetzesinitiative allein bei der Regierung.
-
die Länder (an ihrer Spitze der Landeshauptmann und sein
Stellvertreter, der Landesstatthalter) haben eigene
Landtage und als Gesamtvertretung den Länderrat. Die
Landtage sind nach Landesgesetzen ständisch aufgebaut. Die
Bundesregierung hat das Recht, bei gewissen
Voraussetzungen im Verordnungswege Gesetze zu erlassen;
der Bundespräsident kann auf diesem Wege sogar die
Verfassung ändern. -
Heer:
Söldnerheer mit 12jähr. Verpflichtung. Gesamtstärke: 1500
Off., 28'500 Mann; daneben vorläuf. Hilfskorps von 8000
Mann. Einführung der allg. Wehrpflicht für 1935 geplant.
Geschichte:
Schon in der jüngeren Steinzeit finden wir in Ö. neben der
Kultur des Donaukreises Ausstrahlungen der nord. Kultur.
In der Bronzezeit und bes. in der älteren Eisenzeit wurde
die Salzburger Gegend (-> Hallstattzeit) zu einem
wirtschaftl. und kulturellen Zentrum Mitteleuropas. Damals
noch illyrisch, wurde das ganze österr. Alpengebiet später
keltisch, 15 v.Chr. unter Augustus römisch (Raetica und
Noricum; Bindabona = Wien ist eine röm. Gründung). Im
Verlauf der Völkerwanderung besiedelten die Bayern Ö.,
ausgenommen Vorarlberg, wo sich Schwaben festsetzten. Karl
I. unterstützte im Kampf gegen die Awaren die german.
Kolonisation. Otto I. machte 956 das heutige Ö. als bayr.
Ostmark zum deutschen Bollwerk gegen die Ungarn; Otto II.
unterstellte Ö. dem Babenberger Liutpold als Markgrafen.
Für den Verzicht Heinrich Jasomirgotts auf Bayern wurde Ö.
1156 zum selbständigen Herzogtum erhoben; 1192 kam die
Steiermark an Ö. Das wirtschaftliche und kulturelle Leben
nahm unter den Babenbergern ausserordentlichen Aufschwung;
die german. Kolonisation wurde mit Nachdruck fortgesetzt.
Nach dem Aussterben der Babenberger (1246) setzte sich
Ottokar von Böhmen in den Besitz von Ö.; nach seiner
Niederlage auf dem Marchfelde (1278) kam es mit Steiermark
und Krain an die Söhne Rudolfs von Habsburg.
Albrechts I. Versuch, durch Angliederung von Böhmen und
Thüringen das Reich von Ö. aus zu einigen, misslang durch
seine Niederlage bei Lucca (1307).
Nach
seinem Tode erhielten die Luxemburger (Heinrich VII.,
Karl IV., Wenzel, Sigismund) und der Wittelsbacher
Ludwig der Bayer die Führung, die nach Kräften das
Hineinwachsen von Ö. ins Reich hinderten.
Mit kaiserl. Unterstützung lösten sich die
Schweizer Eidgenossen von Ö. (Niederlagen bei
Morgarten 1315 und bei Sempach 1386). Auch wurde Ö. 1356
(Goldene Bulle) nicht Kurfürstentum und damit trotz seiner
Grösse nicht zum Tragpfeiler des Reiches gemacht. Der
Erwerb Kärntens und Krains 1335, Tirols 1363 und Triests
1382 bedeutete nur eine Machtsteigerung im Südosten.
1438 erhielten die Habsburger zwar mit Albrecht II. das
Kaisertum; da sie aber gleichzeitig Böhmen und Ungarn
erbten, richteten sie ihr Hauptinteresse nunmehr auf die
Angliederung dieser neuen Gebiete. Denn Böhmen und Ungarn
widersetzten sich unter einheimischen Königen der
Einverleibung; die Ungarn entrissen sogar Kaiser Friedrich
III. Ö., das erst Kaiser Maximilian 1490 wiedergewann.
Dieser setzte auch die Kräfte seines Landes an der
deutschen Westgrenze gegen Frankreich ein und gewann für
da Reich aus dem Burgund. Erbe Karls des Kühnen die
Niederlande und die Freigrafschaft Burgund zurück. Durch
die Heirat seines Sohnes Philipp mit der spanischen
Prinzessin Johanna wurde Ö. in das span.-habsburgische
Weltreich eingeordnet, bes. unter Karl V. Vor allem aber
entwuchs es den Interessen des Reiches, da 1526 durch den
Tod Ludwigs II. von Ungarn (Schlacht bei Mohács) dieses
und Böhmen mit Schlesien endgültig an Ö. fielen. Damit
hörte Ö. auf, ein selbständiges deutsches Land zu sein,
und ging in -> Österreich-Ungarn auf.
[weiter: siehe Österreich-Ungarn: 350 Jahre zum Teil
rassistische österreichische Kolonialpolitik über den
Balkan,
ab 1871
deutsch-österreichische Nationalbewegung nach dem
deutschen Sieg gegen Frankreich, die ab dem weltweiten
Börsencrash von 1873 aufgrund der bankenfreundlichen
Stützungspolitik stark antisemitisch wird, weil die
anderen Börsenverlierer fast alle leer ausgehen, v.a. die
Bauern: der Boden für die spätere NSDAP, die Kinderstube
von Hitler].
Ö. seit 1918:
Nach dem Zusammenbruch von 1918 hofften die
Deutschösterreicher, mit dem Deutschen Reiche wieder
vereinigt zu werden; die "provis. Nationalversammlung"
erklärte durch das Staatsgrundgesetz vom 12.11.1918
Deutsch-Ö. zu einer demokrat. Republik und gleichzeitig zu
einem Bestandteil der Deutschen Republik.
Der
Anschluss wurde aber durch Art. 88 des Diktates von
St-Germain (1919) verboten, woran auch die
Volksabstimmung in Tirol und Salzburg (Frühjahr 1921)
nichts mehr ändern konnte. 1919 erfolgte die
Ausweisung der Habsburger und die Abschaffung des Adels.
Unter der Vorherrschaft des roten Wien schien Ö.
zusammenzubrechen (kommunist. Unruhen, Loslösungsversuche
in Tirol und Vorarlberg, Einbruch der Jugoslawen in
Kärnten).
Durch das Diktat von St-Germain
gingen Sudetendeutschland, Südtirol, Südsteiermark und
Südostkärnten für Ö. verloren; nur das Burgenland
wurde 1921 (mit Ausnahme von Ödenburg) gewonnen.
1920 trat Ö. dem Völkerbund bei. Die Aussenpolitik
bestimmte seit 1922 im wesentlichen Prälat Seipel (Führer
der Christlich-sozialen Partei, die durch die Wahlen von
1920 zur stärksten Partei geworden war). Die
Bundesverfassung vom 1.10. 1920 rückte vom roten
Zentralismus ab, überliess jedoch Wien der SPD.
Bundespräsident 1920-28 Hainisch, seither Miklas.
Die wirtschaftl. Schwierigkeiten zwangen Seipel Oktober
1922 zur Unterzeichnung des Genfer Protokolls
(langfristige internat. Anleihe, mehrjähr. Finanzkontrolle
des Völkerbundes, Wiederholung des Anschlussverbotes). Die
Niederbrennung des Justizpalastes in Wien (15.6.1927) und
die Radikalisierung der SPD (Republikan. Schutzbund)
hatten eine Verstärkung der Heimwehren zur Folge, auf
deren Unterstützung die ständig wechselnden Kabinette
weithin angewiesen waren. Unter ihrem Druck wurde 1929 die
Verfassung im Sinne einer Verstärkung der Rechte des
Präsidenten abgeändert.
Der Plan einer
Zollunion mit dem Deutschen Reich wurde durch den
Widerstand Frankreichs und Italiens verhindert
(->Anschlussfrage).
Unter dem
christl.-sozialen Kabinett Dollfuss (seit Mai 1932)
wurde 15. 7. 1932 das Lausanner Protokoll unterzeichnet,
in dem Ö. gegen Gewährung einer unzulänglichen
20jährigen Anleihe erneut auf finanzielle
Selbständigkeit und jede Anschlusspolitik verzichtete.
Seit 1930 hatte sich die NSDAP in Ö. zu einer mächtigen
Volksbewegung entwickelt; aber auch der Marxismus
verstärkte seine Stellung, bes. in Wien. Zwischen beiden
Parteien suchte sich Dollfuss zu behaupten, indem er sich
auf Heer und Polizei, Heimwehr, die katholische Kirche und
die Legitimisten stützte (die Christlich-soziale Partei
hatte immer mehr an Boden verloren und ging 1934 in der
Vaterländischen Front auf). Gegen den Nationalsozialismus
wurde auf das schärfste vorgegangen, wodurch sich das
Verhältnis zum Deutschen Reich sehr fühlbar
verschlechterte. Dem Widerstand grosser Teile der
Bevölkerung gegen seine Politik suchte Dollfuss dadurch zu
begegnen, dass er eine militärische Diktatur errichtete
und die Staatsmacht an die Heimwehren (Führer seit 1930
Fürst Starhemberg) auslieferte, die in eine besoldete
Sicherheitspolizei umgewandelt wurden (Frühjahr 193
blutige Zerschlagung des Marxismus). andrerseits fand er
weitestgehende politische und finanzielle Unterstützung
bei Frankreich und Italien.
Schliesslich kam es 25.7.1934 zu einem Anschlag einer
kleinen Gruppe gegen das Bundeskanzleramt, wobei Dollfuss
erschossen wurde; die gleichzeitig ausbrechenden lokalen
Aufstände in Steiermark und Kärnten wurden vom Militär
niedergeworfen. Diese Vorgänge führten, bes. infolge
ausländ. Meldungen über angebl. Unterstützung der Unruhen
durch das Deutsche Reich, zu einer europ. Krise (ital.
Truppenaufmarsch am Brenner). Der neue Bundeskanzler
Schuschnigg verhinderte zunächst einen Putschversuch der
Heimwehren und sucht seither mit Geschick der inneren und
äusseren Schwierigkeiten Herr zu werden.